In der Reihe "Gut beraten!" stellen wir landesgeförderte Angebote für Fachkräfte der Schulsozialarbeit vor. Dieses Mal geht es um das Thema Medienbildung. Im Interview erzählen die Mitarbeiter des Landesfachverbands Medienbildung e. V. (lmb e. V.) Matthias Specht, Michael Lange und Bastian Bielig, warum wir Zusatzausbildungen in Medienpädagogik brauchen, welche Angebote sie für Schulsozialarbeiter*innen bereithalten und wie Medienbildung und Demokratiebildung zusammengehen.
Was macht der lmb e. V.?
Matthias Specht: „Als landesweit agierender, medienpädagogischer Fachverband fördern wir die Medienkompetenz Heranwachsender und verstehen uns als Teil der außerschulischen Jugendbildung. Wir sind eine wachsende Institution mit 45 Mitgliedern.“
Michael Lange: „Wir bieten vielfältige medienpädagogische Qualifizierungen, zum Beispiel unsere einjährige medienpädagogische Zusatzqualifikation für Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen. Sie beinhaltet 20 bis 26 Fortbildungstage, die innerhalb eines Jahres absolviert werden. Die Teilnehmenden absolvieren sechs Wahlpflichtkurse, einen Grundlagenkurs und ein Abschlusskolloquium. Zudem bieten wir seit drei Jahren eine Lehrerfortbildung an und seit einem Jahr eine Fortbildung für Fachkräfte aus der stationären Jugendhilfe. Als Bildungsreferent beim lmb e. V. koordiniere ich auch die jährlich im Herbst stattfindende Netzwerktagung ‚Medienkompetenz stärkt Brandenburg‘. Daneben gibt es noch weitere Tagungen und Einzelfortbildungen.“
Matthias Specht: „Auch im Beratungskontext sind wir als lizensierter Beratungsträger des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) im Rahmen des Beratungsprogramms für die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit aktiv. Im letzten Jahr haben wir z.B. drei Jugendhilfeträger unterstützt, ihre medienpädagogischen Konzeptionen zu entwickeln.“
Im Jahr 2019 setzte der lmb e. V. ein Bildungsprogramm auf, das noch mehr Medienbildung in den ländlichen Raum trägt. Wie genau kann man sich das vorstellen?
Bastian Bielig: „Genau. Im Rahmen des ‚jumblr‘-Programms, das für ‚Jugendmedienbildung im ländlichen Raum‘ steht, konnten wir im Modelljahr 2020 gemeinsam mit über 15 verschiedenen Partnern in Brandenburg unterschiedlichste Maßnahmen zur Förderung von Medienkompetenz initiieren und sie in ihrer Fachlichkeit unterstützen. Daraus ergaben sich spannenden Pilotprojekte. Zu den Partnern gehören Stiftungen, freie Medienpädagog*innen und Jugendeinrichtungen mit unterschiedlich ausgeprägtem medienpädagogischen Profil. Damit verfolgen wir auch die Ausweitung unseres Netzwerks der Jugendinformations- und Medienzentren (‚JIMs‘) im Land Brandenburg. Diese Zentren gibt es bereits eine Weile und sie werden von unserem Kollegen Andreas Hackert betreut. Die Regionalfachtage sind ein weiterer wichtiger Baustein, um regionale Kooperationen zum Thema Medienbildung zu initiieren und dazu Fachvorträge zu organisieren und den Austausch zu fördern. Unsere Aufgabe ist es, medienpädagogische Projekte zu initiieren und anzuschieben. Wir führen sie aber nicht selbst aktiv durch.“
Matthias Specht: „Im Jahr 2018 wurde die Landesstrategie ‚Digitales Brandenburg‘ verabschiedet. Darin steht beschrieben, wie wir dieses Land digital modernisieren – auch Schule und Jugendhilfe betreffend. Unsere Aufgabenfelder haben sich dadurch ziemlich stark erweitert. Neben den schon genannten Feldern sind wir neuerdings auch im Bereich der Berufsbildung unterwegs und unterstützen im Auftrag des Bildungsministeriums Studierende an der Fachhochschule Clara Hoffbauer in Potsdam im dualen Studiengang ‚Medienbildung und pädagogische Medienarbeit‘.“
Wer sind die Zielgruppen Ihrer Arbeit?
Matthias Specht: „Unsere primäre Zielgruppe sind alle pädagogischen Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Darüber hinaus gibt es zwei Projekte, in denen wir auch direkt mit Kindern und Jugendlichen arbeiten: das ‚jumblr‘-Programm und das zweijährliche JIM Filmfestival. Hier sind Kinder und Jugendliche selbst die Stars vor und hinter der Kamera, dürfen ihre Themen vor die Kamera bringen und sich in Workshops mit Studierenden der Filmwirtschaft ausprobieren.“
Bastian Bielig: „Die Eltern gehören dagegen nicht zu unserer direkten Zielgruppe. Jedoch gibt es im Rahmen der Fortbildung eine Kooperation mit der Aktion Kinder- und Jungenschutz Brandenburg e. V. Hier können sich Teilnehmer*innen parallel zu unserer Fortbildung zu Eltern-Medien-Berater*innen ausbilden lassen.“
Welche Angebote gibt es speziell für Schulsozialarbeiter*innen?
Michael Lange: „Viele Schulsozialarbeiter*innen nehmen an unserem Fortbildungsprogramm teil. Bei unserer einjährigen medienpädagogischen Zusatzqualifikation können bis zu 12 Fachkräfte teilnehmen, davon sind in den letzten Jahren im Schnitt immer etwa ein Viertel Schulsozialarbeiter*innen gewesen. Hierfür müssen sich die Interessierten vorab bewerben. Die Ausschreibung des nächsten Fortbildungsdurchgangs erfolgt im April 2021.“
Matthias Specht: „Wir nehmen auch Anfragen von Schulsozialarbeiter*innen entgegen, die an ihrer Schule ein medienpädagogisches Konzept etablieren möchten. Voraussetzung ist hier, dass es aus der Perspektive der Jugendsozialarbeit gedacht ist. Dies ist möglich, da wir seit 2017 lizensierter Beratungsträger des MBJS sind. In diesem Rahmen sind die Beratungsleistungen des lmb e. V. für die Fach- und Führungskräfte von Jugendhilfeeinrichtung kostenfrei.“
Bastian Bielig: „Im Rahmen unserer Netzwerkarbeit können wir die Fachkräfte auch unterstützen, im Sozialraum zu neuen Arbeitsbeziehungen zu finden. Ein aktuelles Beispiel dazu kann ich aus der Stadt Brandenburg an der Havel nennen. Der verantwortliche Mitarbeiter, der das Jugendinformations- und Medieninformationszentrum (JIM) betreut, arbeitet mit Schulsozialarbeiter*innen zusammen, ist aber auch im offenen Jugendhilfebereich aktiv. Der lmb e. V. hat dort die Entwicklung einer digitalen Stadt-Rallye mithilfe der ‚espoto-App‘ initiiert: eine Art Schnitzeljagd, um den Sozialraum zu erkunden. Die Sozialarbeiter*innen haben die Rallye unter Mitwirkung von Jugendlichen entwickelt und werden sie zukünftig auch anderen Jugendlichen zur Verfügung stellen, um den Sozialraum aus einer neuen Perspektive zu entdecken und kennenzulernen.“
Werden auch Angebotswünsche von Sozialarbeiter*innen berücksichtigt?
Bastian Bielig: „Wir beobachten, dass Fachkräfte teilweise keine langen Weiterbildungen wünschen, sondern eher Mikro-Einheiten. Das bedeutet, sie wollen abgrenzbare konkrete Themen, die leicht konsumierbar und schnell praktisch umsetzbar sind. Diesem Wunsch wollen wir versuchen, noch in diesem Jahr Rechnung zu tragen. Ein thematischer Wunsch bezieht sich zum Beispiel auf digitale Methoden der Arbeit mit Jugendgruppen im Freizeit- bzw. Ferienbereich. Außerdem haben wollen wir noch diese Themen an den Start bringen: digitale Jugendbeteiligung, Sozialraum und Sozialraumerkundung. Weiterhin wurde Interesse für Themen bekundet wie Nachhaltigkeit, Medien und Achtsamkeit. Wir wollen diese Themenwünsche Schritt für Schritt angehen und mit unseren Programmen bedienen.“
Warum brauchen wir Zusatzausbildungen in Medienpädagogik?
Bastian Bielig: „Wir merken in unserer Arbeit oft: Es fehlt an weiteren Fachkräften, um gute medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen machen zu können. Sehr viele Fachkräfte wurden bereits in unseren Fortbildungen ausgebildet, diese sind aber oft mit ihren Kapazitäten am Limit. Zudem beschäftigen uns heute in Puncto „Medienbildung“ teilweise auch ganz andere Themen als noch vor fünf Jahren. Aus diesem Grund werden wir den Schwerpunkt unserer Arbeit nochmal etwas verschieben müssen. Wir wollen die Medienkompetenz der Fachkräfte kontinuierlich weiter schulen, denn ebenso wie sich die digitale Welt und ihre Formate und Angebote ständig wandeln und weiterentwickeln muss entsprechend auch die Fachlichkeit immer wieder neu hervorgehoben werden. Insbesondere durch Corona erleben wir verstärkt, wie wichtig die Medienkompetenzbildung ist und dazu gehört auch, dass sich die Fachkräfte kontinuierlich fortbilden.“
Matthias Specht: „Völlig richtig. Die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen findet auch im digitalen Raum statt. Aber die Medienkompetenz muss entwickelt werden, nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei pädagogischen Fachkräften in Jugendhilfe und Schule.“
Wie greifen Medienbildung und Demokratiebildung ineinander?
Bastian Bielig: „In unserer Arbeit begegnen wir manchmal der Auffassung, Medienbildung wäre Informatik und Demokratiebildung wäre Politik. Tatsächlich sind die beiden Felder aber eng miteinander verzahnt. Mithilfe einer fachlichen Begleitung durch das JFF - Institut für Medienbildung in Forschung und Praxis, haben wir uns näher mit der Schnittstellenarbeit und dem aktuellen Stand der Forschung dazu auseinandergesetzt und geschaut, welche Tools sich besonders gewinnbringend einsetzen lassen. Die Ergebnisse werden in Kürze auf unserer Homepage veröffentlicht.“
Welche Herausforderungen für die Medienbildung nehmen Sie durch die Corona-Pandemie wahr?
Matthias Specht: „Im Rahmen des ‚jumblr‘-Programms haben wir festgestellt, dass gerade die Fachkräfte der Schulsozialarbeit in der Corona-Situation Schwierigkeiten haben, den Kontakt mit ihren Schüler*innen zu halten. Gemeinsam mit dem Fachverband für Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit e. V. haben wir Überlegungen angestellt, woran das liegen könnte. Eine Hypothese ist, dass die Fachkräfte der Schulsozialarbeit vielerorts von der Schul-Cloud ausgeschlossen sind. Wir haben uns der Schul-Cloud ganz experimentell genähert, um zu überprüfen, inwiefern sie geeignet ist, auch im außerschulischen Kontext den Kontakt zum Jugendklientel herzustellen und darüber hinaus eventuell sogar pädagogische Angebote zu entwickeln. Wir werden versuchen, erste Erkenntnisse dazu in Kürze zu veröffentlichen.“
Bastian Bielig: „Von einem Kooperationspartner im Bereich Jugendbeteiligung wurde die Problematik an uns herangetragen, wie der Kontakt mit den Kindern gehalten werden kann. Daraufhin haben wir konkrete Maßnahmen ergriffen und eine Medienpädagogin hingeschickt, die gemeinsam mit den beteiligten Kindern und Fachkräften geschaut hat, welche digitalen Möglichkeiten es gibt, in Kontakt zu bleiben und damit die Medienkompetenz weiter zu fördern.“
Michael Lange: „Eine weitere Herausforderung ist derzeit, die Inhalte unserer medienpädagogischen Zusatzqualifikation auf ein Online-Format umzustellen. Wir haben viel ausprobiert und zum Beispiel den Grundlagenkurs in den virtuellen Raum ‚Minetest‘ verlegt; dort können sich die Teilnehmer*innen als kleine Avatare begegnen. Bei der Lehrerfortbildung ließen sich die Inhalte leichter in ein Online-Format transferieren, da die Fortbildung insgesamt kürzer und weniger interaktiv ist. Auch die Bereitschaft der Lehrer*innen, sich online zu treffen, ist größer geworden und hat sich professionalisiert. So gibt es zunehmend weniger technische Schwierigkeiten.“
Wie sind Sie zur Medienbildung gekommen?
Matthias Specht: „Obwohl es anfangs nicht mein großer Plan war, bin ich den Medien Stück für Stück näher gerückt: Ich studierte Politikwissenschaft in Potsdam, gründete noch während des Studiums mit einem Kommilitonen eine kleine philosophische Zeitschrift und verdiente damals meinen studentischen Lebensunterhalt mit der Arbeit als freiberuflicher Lokal-Redakteur. Während eines Praxissemesters wechselte ich die Seiten und durfte auch die politische Öffentlichkeitsarbeit kennenlernen. Nach dem Studium habe ich in einem Potsdamer Nachbarschaftszentrum die Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut und eine Stadtteilzeitung gegründet. Von dort habe ich vor 19 Jahren den Sprung zu meinem heutigen Arbeitgeber gefunden, der LAG Multimedia Brandenburg. Seitdem stehe ich als Geschäftsstellenleiter für die Kontinuität des Verbandes.“
Michael Lange: „Ich komme aus dem kulturellen Bildungsbereich. Schon als Jugendlicher habe ich mich viel mit Fotografie beschäftigt und als Dozent an einer Jugendkunstschule gearbeitet. Passend dazu studierte ich dann Sozialpädagogik und arbeitete sieben Jahre in einer Jugendbildungsstätte als Dozent für politische Bildung und neue Medien. Dort habe ich zum Beispiel Kurse für Schulklassen organisiert. Anschließend war ich freiberuflich mit meinem Medienschwerpunkt unterwegs. In diesem Rahmen war ich u. a. für die LAG Multimedia tätig, habe dort auch Kurse gegeben und bin seit drei Jahren fest beim lmb e. V. angestellt. Gleichzeitig biete ich weiterhin freiberuflich Projekte an Schulen zum Thema digitale Medien und Internet an.“
Bastian Bielig: „Bei mir fing das mit der Medienbildung schon in der Kindheit an. Ich habe schon damals immer gerne meinen Großeltern den Fernseher erklärt. Da denke ich gern dran zurück, wenn ich überlege, was ich heute alles so mit Medien gerne mache.
In Frankfurt (Oder) habe ich dann Kulturwissenschaft und später Kulturmanagement und Kulturtourismus studiert. Später hatte ich für vier Jahre die Leitung des Jugendinformations- und Medienzentrums (JIM) in einem Mehrgenerationshaus in Frankfurt (Oder) inne. Während einer Zeit als Online-Redakteur für die Europa Universität Viadrina, habe ich gleichzeitig freie medienpädagogische Projekte für den lmb e. V. und andere Akteure gemacht und bin nun seit letztem Jahr als Bildungsreferent beim lmb e. V. angestellt.“
Wie können Schulsozialarbeiter*innen Kontakt zu Ihnen aufnehmen?
Hier sind unsere Kontaktdaten:
Landesfachverband Medienbildung Brandenburg e.V
Matthias Specht
Geschäftsstellenleiter
Telefon: 0331-60 11 88 40
E-Mail: specht[ät]medienbildung-brandenburg.de
Michael Lange
Referent Erwachsenen-Fort- und Weiterbildung
Telefon: 0331-60 11 88 43
mobil: 0173-61 45 818
E-Mail: lange[ät]medienbildung-brandenburg.de
Bastian Bielig
Referent Jugendmedienbildung im ländlichen Raum (jumblr)
Telefon: 0331-60 11 88 45
mobil: 0174-57 46 722
E-Mail: bielig[ät]medienbildung-brandenburg.de